Wer heute bequem mit der drehbaren Titlis Rotair auf den Titlis schwebt, ahnt kaum, welch spannende und pionierhafte Geschichte hinter den Titlis Bergbahnen steckt. Seit über 110 Jahren prägt sie nicht nur den Wintertourismus in Engelberg, sondern hat mit wegweisenden Innovationen auch ein bedeutendes Kapitel in der Schweizer Seilbahngeschichte geschrieben.
Am 22. April 1912 wurde die «Drahtseilbahn Engelberg-Gerschnialp DEG AG» gegründet. Der Grund: der wachsende Wintertourismus und die Idee, eine Bahn speziell für den Winterbetrieb zu bauen — direkt neben der damals längsten Bobbahn der Welt mit stolzen 3,5 Kilometern. Einer der bekanntesten Namen dieser Zeit war der Engelberger Fritz Feierabend, einer der erfolgreichsten Schweizer Bobfahrer, mehrfacher Weltmeister und Olympiamedaillengewinner, der zusammen mit seinem Vater den stählernen «Feierabend-Bob» entwickelte. Im Winter steht dieser Bob jeweils vor der Bar des Kempinski Palace Engelberg im historischen Teil des Hotels.
Damals endete die Wintersaison in Engelberg traditionell bereits Ende Februar. Doch drei findige Persönlichkeiten — Direktor Höchli, Kurdirektor Dr. Josef Hess-Ihm und Trübsee-Hotelier Karl Hess-Lagler — hatten eine Idee, um die Saison zu verlängern: Sie organisierten jeweils über Ostern ein spektakuläres Skirennen vom obersten Gipfel des Titlis auf 3238 m ü. M. bis hinunter zum Hotel Trübsee auf 1800 m ü. M.
Die Teilnehmer wurden dabei bequem bis zum Trübsee transportiert, den herausfordernden Aufstieg bis zum Titlis-Gipfel mussten sie allerdings zu Fuss bewältigen. Mit diesem Event liess sich die Skisaison jeweils bis Ende April verlängern — ein cleverer Schachzug, der grossen Anklang fand. Krönender Höhepunkt dieser Initiative: Vom 5. bis 7. März 1938 war Engelberg Austragungsort der FIS Alpinen Ski-Weltmeisterschaften.
Am 18. Dezember 1943 wurde der Sessellift Trübsee–Jochpass eröffnet. Er war der erste Sessellift der Schweiz, der im Sommer auch Wanderer transportierte.
Der Jochpass hat im Lauf der Jahre zahlreiche bekannte Persönlichkeiten angezogen. Ein besonderes Ereignis war der Besuch des ersten indischen Ministerpräsidenten Pandit Nehru, der am 21. Juni 1953 gemeinsam mit seiner Tochter — der späteren Ministerpräsidentin Indira Gandhi — die Region erkundete.
Auch kirchliche Prominenz machte hier Halt: Angelo Giuseppe Roncalli, der spätere Papst Johannes XXIII., zählte ebenfalls zu den illustren Gästen.
In den folgenden Jahren zog es immer wieder internationale Stars an den Jochpass. So genossen Schauspiel-Ikone Audrey Hepburn und ihr damaliger Ehemann Mel Ferrer die beeindruckende Berglandschaft, ebenso wie Filmlegende Sophia Loren und ihr Ehemann Carlo Ponti.
Am 16. Dezember 1959 wurde eine zweite Seilbahn nach Trübsee eröffnet – die erste Parallelbahn des Landes. Zeitgleich ging der Skilift Trübsee–Bitzistock in Betrieb.
Um den langen Wartezeiten und der wachsenden Konkurrenz umliegender Skigebiete zu begegnen, wurden 1961 der Skilift Gerschnialp und die Skilifte Jochpass-Jochstock eröffnet.
Mit dem stetig wachsenden Interesse und dem zunehmenden internationalen Gästestrom wurde Anfang der 1960er-Jahre der Wunsch nach einer Seilbahn auf den Titlis wieder laut. Ursprünglich war geplant, den Gross Titlis auf 3238 m ü. M. direkt zu erschliessen. Doch aus Rücksicht auf Heimat- und Naturschutzinteressen rückte man von diesem Vorhaben ab.
Ein Kompromiss wurde gefunden: Die geplante Bahn sollte ihre Endstation etwas tiefer beim Klein Titlis auf 3020 m ü. M. erhalten.
Am 20. März 1962 wurde ein 26-köpfiges Initiativkomitee gegründet, um die Erschliessung des Klein Titlis (3020m) als neues Ziel ins Auge zu fassen.
Trotz winterlicher Bedingungen im Sommer 1964 begannen die Bauarbeiten an der neuen Pendelbahn Trübsee–Stand. Die Bauarbeiter mussten die Baustelle oft erst freischaufeln, bevor sie mit der Arbeit starten konnten. Als echtes Pionierprojekt verlangte der Bau viel Improvisation und Anpassung direkt vor Ort. Am 26. Juni 1965 konnte die 1. Sektion der Pendelbahn schliesslich erfolgreich in Betrieb genommen werden.
Der Bau der zweiten Sektion der Pendelbahn war ein bedeutender Moment in der Schweizer Bergbahngeschichte und weckte grosses Interesse über die Landesgrenzen hinaus. Zahlreiche Journalisten und Reporter verfolgten die Arbeiten und berichteten über das ambitionierte Projekt.
Am 15. März 1967 wurde die zweite Sektion fertiggestellt. Die feierliche Eröffnung fand am 9. Mai 1967 statt und wurde von Abt Leonhard Bösch vorgenommen. Nur zwei Jahre später, am 8. Februar 1969, konnte der Titlis bereits einen besonderen Meilenstein feiern: den 1'000'000. Fahrgast seit Inbetriebnahme der Bahn.
1970 folgten der Gletscherskilift, der das Sommerskifahren ermöglichte und die Gletschergrotte.
Am 20. Dezember 1992 wurde mit der Rotair die weltweit erste drehbare Luftseilbahn eröffnet. Die Idee dazu hatte Direktor Rüegger, inspiriert vom Drehrestaurant Metro Alpin in Saas-Fee. Gemeinsam mit dem Seilbahnbauunternehmen Garaventa wurde die Vision Wirklichkeit und ein technisches Highlight geschaffen, das bis heute Gäste aus aller Welt begeistert.
Ebenfalls 1992 erfolgte ein wichtiger Schritt in der Organisation der Engelberger Bergbahnen: Die bis dahin bestehenden 29 Bahnen und Skilifte, die von 13 Gesellschaften geführt wurden, fusionierten zur Bergbahnen Engelberg-Trübsee-Titlis AG (BET AG) – ein Meilenstein für die Zukunft der Region und ein wichtiger Schritt in Richtung Effizienz und gemeinsamer Entwicklung.